Von Bergen und Almen
27. Juni 2015
Da mir zum Thema Reisen viel zu viele Gedanken durch den Kopf gingen, beschloss ich den Artikel für die "Blogger denken nach"-Reihe in zwei Teilen zu veröffentlichen. Der erste Teil behandelt vorwiegend Fernreisen und Flugverkehr und ist hier zu finden.
Im zweiten Teil möchte ich nun mein eigenes "Reiseverhalten" kritisch unter die Lupe nehmen und Auswirkungen auf die Umwelt herausarbeiten.
"Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen." (Goethe)
Wer hier regelmäßig mitliest, wird es schon gemerkt haben: wir lieben die Berge. Aus diesem Grund sind wir so oft wie möglich am Berg. Da wir uns momentan beide in einer Anstellung mit flexiblen Arbeitszeiten befinden, haben wir die Möglichkeit auch unter der Woche den einen oder anderen Gipfel zu erklimmen.
Wir müssen natürlich auch zum Ausgangspunkt
einer Tour gelangen. In 99% der Fälle geschieht das mit dem eigenen
Auto. Da wir viele Touren in und rund um meine Heimatstadt machen,
besuchen wir meistens auch gleich meine Eltern. So verbinden wir
Familie und Freizeit sehr gut und sparen die extra Anfahrt.
Eine Tour in oder rund um Eisenerz ist meist
folgendermaßen aufgebaut: Anreise am späten Abend des Vortages,
Tour am darauffolgenden Tag mit dem abschließenden Essen bei meinen
Eltern. Danach geht es entweder gleich zurück in die Stadt oder wir
gastieren noch einen weiteren Tag bei meinen Eltern.
Zum Vergleich: Während Flugzeuge pro Kilometer
und Person 380g CO2 verursachen, schlagen die CO2 Emissionen eines
PKWs mit 100 bis 200 g pro Kilometer zu Buche (Quelle).
Übernachten am Berg
Mehrtagestouren bestreiten wir überwiegend mit Zelt und Schlafsack im Gepäck. Es ist ein unglaublich erhabenes Gefühl frühmorgens weit über der Baumgrenze, und somit im alpinen Ödland, aus dem Zelt zu krabbeln.
Wir beeinträchtigen also die Umwelt durch
Anfahrt, Ausrüstung (dazu später mehr) und unsere bloße Anwesenheit.
Anders bei der "luxuriösen" Variante
einer Mehrtagestour, bei der wir in einer Schutzhütte übernachten.
Dort gibt es warmes Essen, einen trockenen Schlafplatz, kaltes, aber
fließendes (Regen-)Wasser, Strom und meist ein Kompostklo. Die
Versorgung der Hütte geschieht, je nach Lage, entweder mit einem
PKW, Materiallift oder Helikopter. (Wie hoch der CO2
Ausstoß eines durchschnittlichen Helikopters ist, konnte ich leider
nicht herausfinden.)
Brauchwasser wird durch Regenwasser
bereitgestellt, mit dem man möglichst sorgsam umgehen sollte. Strom
wird meist durch Dieselgeneratoren erzeugt, somit ist auch Strom
sparen eine Notwendigkeit. Um bei diesen hoch gelegenen Schutzhütten
nicht für jeden neuen Tagesgast die Bettwäsche wechseln zu müssen,
ist zur Wahrung eines gewissen Hygienestandards die Benutzung eines
Hütten- bzw. Innenschlafsacks vorgeschrieben. Ich selbst nehme aber
am liebsten meinen Daunenschlafsack mit. Da brauche ich die im
Schlaflager bereitgestellten Decken gar nicht erst benutzen.
Der Aufwand, der bei
einer Hüttenübernachtung für die Versorgung betrieben werden muss,
ist also deutlich höher als beim Wildcamping, wo man seinen ganzen
Krempel selbst den Berg hochschleppen muss. Das hilft einem übrigens
auch sehr gut, den Blick für das Wesentliche zu schärfen.
Die Schattenseite des Outdoor-Booms
Wenig nachhaltig am Wandern ist allerdings die Ausrüstung. Ein großer Ressourcenverbrauch, der in dieser Form beim "klassischen" Urlaub gar nicht anfällt.
Wer schon einmal innerhalb eines Tages 1000
Höhenmeter zurückgelegt hat, weiß: Oben ist es immer viel kühler
und windiger als unten im Tal. Warme Kleidung ist für die Gipfelrast
somit unerlässlich. Da man am Berg möglichst gewichtsreduziert
unterwegs sein will, muss eine Jacke dann auch gleich multifunktional
sein: schnell trocknend, wasserfest, wärmend und dabei auch noch
atmungsaktiv.
Dass das ohne
schädliche Chemie
derzeit noch nicht umsetzbar ist, muss jedem Käufer einer solchen
Jacke klar sein. Besonders in Verruf gerieten in den letzten Jahren
die per- und polyfluorierten Carbone (PFC), die einerseits Wasser,
Schmutz und Öl vom Gewebe abperlen lassen, andererseits aber als
sehr gefährlich für Mensch und Umwelt gelten und im Verdacht
stehen, Krebs auszulösen.
Für den Großteil der Outdoor-Hersteller ist ein
Ausstieg beim PFC "unmöglich". So wird es doch zur
Herstellung von PTFE-haltigen Membranen (z.B.: Gore-Tex) benötigt,
die die Jacke gleichzeitig wasserfest und atmungsaktiv machen.
Diese Stoffe sind, will
man im Trockenen sitzen, unerlässlich für diese Produkte. Doch sie
haben einen hohen Preis: jede im Outdoor-Handel wasserdichte
(Hardshell-)Jacke, jede wasserabweisende (Softshell-)Jacke, jedes
Zelt, jede Tasche und jeder Schuh enthält diese Stoffe. Wird das
Teil gewaschen, gelangen die Fluorcarbone in den Wasserkreislauf,
einige der Stoffe sind flüchtig und in der Luft als
Schadstoffbelastung nachweisbar (Quelle).
Eigene Lösungsansätze
Wie handhaben wir die Problematik, die durch die Ausrüstung entsteht? Zuerst sei gesagt, dass wir beide teilweise einen unterschiedlichen Ansatz verfolgen. Wir verwenden allerdings beide die Outdoor-Ausrüstung nicht im Alltag. Wenn es regnet, greifen wir zum Regenschirm und nicht zur wasserdichten Jacke bzw. Hose.
Mein selbst gesetztes
Budget für Ausrüstung ist begrenzt, weshalb ich oft Kompromisse
eingehen muss. Bei der Bekleidung bin ich eher kompromissbereit als
bei (überlebens-)wichtigen Ausrüstungsgegenständen. So verwende
ich bspw. dünne Hemden aus Baumwolle und eine wasserdichte, doch
nicht atmungsaktive Regenhose. Auf hohe Qualität achte ich hingegen
bei Schlafsack, Schuhen, Matte, Klettersteigset, Wetterschutz und
Notfallausrüstung. Generell versuche ich abzuschätzen, was ich in
welcher Qualität benötige. Ich will weder überausgerüstet, noch
schutzlos dem Wetter ausgesetzt sein.
Mein Freund
beispielsweise hat es hier nicht gerade leicht. Er liebt seine
Bergausrüstung und möchte nicht darauf verzichten. Gleichzeitig
weiß er aber um die erwähnten Schattenseiten. Deshalb hat er den
Ansatz gewählt, nur qualitativ hochwertige (aber leider auch sehr
teure) und langlebige Produkte zu kaufen und diese nur bei Bedarf und
nicht standardmäßig zu verwenden. Wasserdichte Kleidung also nur,
wenn es die Bedingungen verlangen. Für alle anderen Tage tuts auch
Softshell. Auf diese Weise sind die ökologisch am bedenklichsten
Hardshells hoffentlich zehn Jahre im Einsatz.
Alternative Bekleidung
Wenn man sich ganzheitlich ökologisch am Berg verhalten will, gehört eine gewisse Umsicht bei der Auswahl an Outdoor-Bekleidung dazu. Ansonsten tragen wir alle Stoffe in die Natur, die da gar nichts verloren haben. Einige Hersteller (wie etwa Pyua) versuchen ohne PFC auszukommen, die anderen denken zumindest an einen (schrittweisen) Ausstieg, auch wenn sich bislang kein Unternehmen traute, sich zu einem Ausstieg zu verpflichten.
Doch man sollte sich auch Gedanken darüber
machen, ob man für eine gewöhnliche Bergtour wie für eine
Extremexpedition ausgerüstet sein muss. (Dasselbe gilt natürlich
auch für jene, die sogar im Alltag in der Stadt beim kleinsten
Regenschauer in Hardshell gekleidet unterwegs sind. Man halte sich
hier vor Augen, dass „Urban Outdoor“ in erster Linie Trend und
nicht Notwendigkeit ist. Aber zu welchem Preis?) Es muss nicht immer
Funktionskleidung sein. Wir Menschen haben unsere Komfortzone nicht
nur im Alltag unglaublich ausgedehnt, sondern auch auf die bislang
„ungezähmte“ Natur. Mit all ihren Vor- und Nachteilen...
Was haltet ihr so vom
so genannten Outdoor-Boom? Wirklichkeit oder Märchen? Und was sagt
ihr zum Trend zur Überausrüstung? Gut und notwendig oder
unverhältnismäßig?
Wer selbst noch einen
Beitrag zum Thema veröffentlichen möchte, kann das hier mithilfe
des Linktools gerne machen.
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