Nachhaltig reisen - Nur wie und wohin?
24. Juni 2015
Im Rahmen der "Blogger
denken nach"-Reihe beschäftigen wir uns
im Juni mit dem Thema "Reisen". Neben dem Thema "Essen"
aus dem Vormonat wohl das mit dem meisten Diskussionspotenzial.
Ich persönlich habe mich vor einiger Zeit dazu
entschlossen, keine Reisen mit dem Flugzeug zu unternehmen. In meinem
Leben bin ich bisher insgesamt vier Mal geflogen. Einmal nach London
und einmal nach Sofia. Jeweils hin und zurück. Und das auch nur
deshalb, weil dies Klassenfahrten waren, wo ich mir das
Transportmittel nicht aussuchen konnte. Ansonsten bin ich drei Mal
mit dem Zug nach Norddeutschland gefahren und während der
Maturareise mit der besten Freundin nach Amsterdam und Paris.
Ja, und warum hab ich mich gegen die Möglichkeiten
die eine Flugreise bietet verschlossen?
Die ökologischen Folgen
Dass Fernreisen Unmengen an CO2 ausstoßen,wissen ja dank Klimaforschung mittlerweile alle. So kommen beispielsweise bei einem Hin- und Rückflug nach Sydney 12.460 kg pro Person zusammen (Quelle). Das entspricht in etwa der durchschnittlichen Jahresproduktion an CO2 eines Deutschen.
Und das ist nur eine (Fern-)Reise im Jahr!
Mittlerweile sind Kurztrips bzw. Städtetrips nach Barcelona oder
London über das (verlängerte) Wochenende in Mode gekommen. Wobei
mir persönlich ja schleierhaft ist, was genau an diesen Städten
besser sein soll als an Berlin, Wien oder Graz. Shoppingmöglichkeiten
mal ausgenommen. Denn nur wegen dem besseren Shoppingerlebnis in eine
andere Stadt zu fliegen (!) kann man ruhigen Gewissens als dekadent
bezeichnen.
Die Kulturreisenden
Durch die Möglichkeiten, die wir mittlerweile haben, eigneten wir uns mit der Zeit einen inflationären Umgang mit den "Schätzen" der Welt an. Schöne Plätze sind über die gesamte Welt sehr dicht gestreut, warum tausende Kilometer durch die Gegend jetten als wäre der einzig schöne Platz auf dieser Welt genau am anderen Ende jener zu finden?
Auch die Rechtfertigung als "Kulturreise"
und der Versuch vor Ort Wasser zu sparen, die Einheimischen fair zu
behandeln, nur regionales Essen zu verzehren und auf große Hotels zu
verzichten, kann den Umweltschaden der allein durch An- und Abreise
entstanden ist, nicht gut machen.
Andere Kulturen verstehen und tolerieren zu wollen
ist zwar ein löblicher Ansatz, doch auch hier gibt es eine Kehrseite
der Medaille. Durch zunehmende Globalisierung und Tourismus
verwässern eben jene Kulturen, die man eigentlich verstehen und
kennen lernen wollte, durch den Kontakt mit uns bis irgendwann jeder
Winkel der Welt von westlicher Einflussnahme und Denken mehr oder
weniger geprägt ist. Übrig bleibt dann manchmal nur noch eine
Fassade der eigentlichen Kultur – für die Touristen.
Der Ablasshandel
Von allen Verkehrsarten verzeichnet der Flugverkehr die stärksten Zuwachsraten (plus 5% pro Jahr)(Quelle). Und das, obwohl wir seit 1972 von den "Grenzen des Wachstums" wissen. Der schiere Überfluss an Möglichkeiten und Destinationen in Verbindung mit immer günstiger werdenden Flügen, verleitet viele zu einem Überkonsum an Flugreisen. Die wahren Kosten des Flugverkehrs (Luftverschmutzung, Klimawandel, Ressourcenverknappung) werden dabei auf die Allgemeinheit abgewälzt. Traurigerweise kostet dem Passagier eine Zugreise mittlerweile mehr als eine Flugreise.
Programme wie Atmosfair,
basierend auf dem Prinzip des „Ablasshandels“, sind zwar gut und
schön, werden das Problem, das durch das Übermaß an Flugreisen
entsteht, jedoch nicht lösen können. Mit Atmosfair werden
beispielsweise Programme zur Förderung von Solaranlagen in Indien
unterstützt. Nimmt die Zahl der Flugreisen aufgrund solcher
Programme, und dem guten Gewissen, das sie vermitteln, jedoch wieder
zu, kommt es zum sogenannten Rebound-Effekt. Durch eine gesteigerte Effizienz kommt es nicht zu einer Einsparung, sondern zu einer Mehrnutzung.
Ein Mangel an Abenteuer
Zusätzlich zu den ökologischen Folgen gibt es auch andere Faktoren, die mich vom Unternehmen einer Fernreise abhalten. Im Namen der Sicherheit werden wir an den Grenzen mittlerweile so stark kontrolliert, wie wir uns das vor 50 Jahren niemals hätten vorstellen können. Dass die Sicherheitsvorkehrungen notwendig sind, bestreite ich auch gar nicht. Doch ich will sie nicht über mich ergehen lassen.
Während Fernreisen früher noch ein echtes
Abenteuer darstellten, da man lange und zum Teil auf unsicheren
Transportmitteln oder -wegen unterwegs war, ist heute an der Reise
zur Urlaubsdestination nichts abenteuerliches mehr erkennbar. Wir
stellen uns zwei Stunden an einem Schalter an, marschieren durch eine
riesige Abflughalle, steigen in ein Flugzeug mit künstlicher
Atmosphäre ein und ein paar Stunden später steigen wir am Zielort
aus. Wir Menschen reisen mit dem Tempo, mit dem wir auch leben.
Highspeed ist allgegenwärtig.
Das verzerrte Bild des Reisenden
In nicht allzu ferner Zukunft wird für alle klar
sein, dass die ständige Herumfliegerei einen wesentlichen Beitrag zu
Umweltproblemen geleistet hat. Und man wird sich an den Kopf greifen
und sich fragen, warum wir so sorglos mit unserer Umwelt und so
egoistisch gegenüber zukünftigen Generationen sein konnten. Denn,
an mehrmaligen Flugreisen pro Jahr ist nichts nachhaltiges zu
erkennen. Zukünftige Generationen werden nicht in diesem Ausmaß
reisen können, wie wir es gewohnt sind. Die Anzahl der Flugreisen
wird auf Dauer nicht haltbar sein.
Das positive Bild vom "Reisenden", der
fremde Kulturen erforschte wird sich zu einem des "Buhmannes"
verwandeln.
Im nächsten Teil möchte ich einen kritischen
Blick auf mein eigenes Reiseverhalten, nämlich das Bergsteigen, und
die damit verbundenen Probleme werfen.
Nur wo du zu Fuß warst, bist
du auch wirklich gewesen.
(Johann Wolfgang von Goethe)
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