So werden deine DIY Kleidungsstücke nicht zu Schrankleichen
13. Mai 2017Klar, Kleidung ist Geschmackssache und grundsätzlich sollte auch jeder selbst wissen, was einem gefällt und steht. Das funktioniert bei gekaufter Kleidung meistens auch ganz gut, bei selbstgemachten Kleidungsstücken fühlt man sich aber oft jeglicher Rationalität, und dem eigenen Geschmackssinn beraubt. Da stolpert man über so tolle Schnitte oder Strickanleitungen, die man unbedingt mal ausprobieren muss, weil sie "einfach mal was anderes sind".
Wenn ich den Satz nur höre, zieht sich bei mir innerlich alles zusammen. Für mich ist das der Anfang vom Ende. Denn meist sagt der Satz aus "Es enstpricht überhaupt nicht meinem typischen Kleidungsstil und ich hab vermutlich auch nichts dazupassendes im Schrank - ABER es gefällt mir so gut." Klingt jetzt vielleicht hart, aber mir ist es selbst viel zu oft so gegangen. Ich habe Farben, Schnitte und Stoffe ausprobiert und kombiniert, bei denen es mich heute nur noch schaudert. Aber man lernt aus den eigenen Fehlern, auch wenn die im Bereich von selbstgemachter Kleidung am meisten wehtun, wenn man bedenkt wieviel Zeit und Geld in Form von Materialkosten drin stecken.
1.) Bleib deinem Stil treu - Die Schnitte
Ich kann gar nicht genug betonen, für wie wichtig ich diesen Punkt halte. Schau in deinen Schrank und höre auf dein Herz, was du wirklich trägst. Mach wenn nötig ein Experiment: alle Kleidungsstücke einer Saison, die du innerhalb von drei Monaten trägst, hängst du mit umgedrehten Kleiderhaken wieder in den Schrank. So kannst du am Ende des Experiments sehen, was du tatsächlich während einer Saison getragen hast und was nicht.Es gibt nun mal Schnitte, die man toll findet - nur eben nicht an sich selbst. Da kann das Muster noch so schön sein. Dieses Kleidungsstück wird wahrscheinlich nicht oft getragen werden. Bei selbstgemachter Kleidung ist es genauso. Was in Schnittheften oder online toll aussieht muss dir nicht zwangsläufig an dir selbst gefallen. Finde heraus, worin du dich wohlfühlst und bleib dann dabei!
2.) So schön bunt - Die Farbpalette
Jaaa... die Farben. Ach, welche Vielfalt es da nicht gibt. Sie verlocken und verführen und schwuppsdiwupps landen Stoffe oder Wolle in deinem Materiallager, die sich mit dem Rest deiner Garderobe beißen. Ich weiß es ist schwer (für mich schwerer als die Sache mit dem Stil), aber versuche auch beim Materialeinkauf nur zu den Farben zu greifen, die du entweder auch bei einer gekauften Jacke toll finden würdest oder die dir tatsächlich in deinem Schrank als Kombi-Möglichkeiten fehlen.3.) Wie eine Blumenwiese - Die Muster
An diesem Punkt scheitere ich regelmäßig, darum ist meine Garderobe auch alles andere als minimalistisch oder tauglich für eine Capsule Wardobe. Aber ich steh nun mal auf Muster, Bestickungen, Farben etc. In meinem Schrank findet sich kaum ein Kleidungsstück das als echtes Basic Teil durchgeht. Das macht es mir manchmal schwer, mehr als eine Kombinationsmöglichkeit zu finden, aber ich trag die Stücke trotzdem gerne.Wenn es dir auch so geht, dann bleib deiner Liebe zu Mustern treu. Wenn gemusterte Stücke allerdings nur unberührt im Schrank hängen, in es schade um Arbeit und Geld und du solltest dir überlegen, ob unifarbene Stoffe nicht doch eine Alternative wären.
4.) So schön weich - Das Haptische
Es gibt viele verschiedene Fasern, ganz grob lassen sie sich allerdings in Kunst-, Naturfaser oder Mischgewebe trennen.Reine Kunstfaser (z.B.: Polyester, Polyamid, Polyacryl, Elastan) hat schlechte thermische Eigenschaften und man schwitzt oder friert leicht darin. Die Fasern nehmen Gerüche auch sehr gut auf. Manche Menschen vertragen Kunstfaser auch sehr schlecht, die Haut fühlt sich irritiert an und beginnt stellweise zu jucken.
Unter Naturfasern versteht man entweder pflanzliche (Baumwolle, Leinen/Flachs, Kapok etc.) oder tierische Fasern (z.B. Wolle, Alpaka, Kamelhaar, Seide, Kaschmir, Merino). Es gibt aber auch Fasern aus natürlichen Polymeren wie z.B. Viskose oder Lyocell. Letztere haben zwar ein Naturprodukt als Basis, sind als Endprodukt aber nicht mehr wirklich natürlich.
Ich verarbeite mittlerweile nur mehr sehr ungern Kunstfaser und greife meist zu Baumwoll- oder Leinenstoffen.
Damit es nach der Verarbeitung keine bösen Überraschungen gibt, die Stoffe unbedingt vorwaschen. Denn vor allem Leinen läuft beim Waschen ein. Wie du Stoffe aus Naturfasern richtig behandelst, kann du in dieser Waschanleitung für edle Stoffe nachlesen.
5.) Nicht ganz ohne - Die Dehnbarkeit
Magst du lieber Kleidungsstücke mit einem Elastananteil, die dehnbar sind, wie zum Beispiel Jersey oder sind dir nicht dehnbare Stoffe lieber? Jersey hat den Vorteil, dass leicht schiefe Nähte nicht wirklich auffallen und du weniger auf die optmale Passform achten musst, weil das der Stoff zum Teil für dich übernimmt. Allerdings kommen nicht alle Nähmaschinen mit elastischen Stoffen gleich gut zurecht. Vor allem die günstigen Nähmaschinen vom Diskounter haben den Ruf (und ich kann diesen aus eigener Erfahrung bestätigen), dass sie elastische oder rutschige Stoffe verschmähen und irgendwas, nur keine gerade, schöne Naht produzieren.Wenn du mit nicht elastischen Stoffen nähst, hast du zwar mehr Arbeit beim Anpassen vom Schnitt auf deinen Körper, aber du wirst mit mehr Einblick in Schnittkonstruktion, Körperbewusstsein und Nähkönnen entlohnt ;-)
6.) Der richtige Sitz - Die Passform
Die oben genannten Punkte können noch so genau befolgt werden, wenn die Passform nicht stimmt, wird das Teil trotzdem zu einer Schrankleiche. Der schwierigste Punkt, an dem sich auch fortgeschrittene Näherinnen oder Strickerinnen manchmal die Zähne ausbeißen.Aber ein paar kleine Tipps gibt es, wie man die Passform verbessern könnte:
Lerne deine "Problemzonen" kennen:
Lange Arme, kurzer Rücken, starke Oberarme, große Oberweite? Auch bei Kaufkleidung erkennt man meist recht schnell seine Problemzonen. Ich hab zum Beispiel lange Arme, einen kurzen Oberkörper, wenig Busen und bin generell mit 1,58m unter der Normkörpergröße von 1,64m - 1,70m. Dadurch muss ich Ärmel oftmals verlängern, die Schultern bei genähten Stücken anheben und Rockteile kürzen.Wähle Schnittkonstruktionen, die du nachher anpassen kannst:
Die Anprobe ist beim Nähen essentiell. Sobal der "Rohbau" eines Kleidungsstücks steht, wird anprobiert. Unter Rohbau verstehe ich, dass nur die Nähte gearbeitet wurden, die man später nicht sieht (z.B. Schulter-, Taillen- und Seitennähte). So kann man besser und vor allem schneller auftrennen, wenn etwas nicht passt. Kragen, Blenden oder Besätze hebe ich mir bis zum Schluss auf.
Anproben sind aber nicht nur beim Nähen wichtig. Maschenprobe hin oder her wird auch ein gestricktes oder gehäkeltes Kleidungsstück anprobiert werden müssen. Darum stricke und häkle ich mittlerweile fast von oben nach unten in einem Teil. Es gibt also keine Schulter- oder Seitennähte mehr, sondern eine Raglanschrägung. Das hat den Vorteil, dass ich das Kleidungsstück immer anprobieren kann und notfalls unstressig Änderungen an den Säumen vornehmen kann. Allerdings sind Raglanschnitte, wie alle anderen auch, etwas tricky bei den Ärmeln.
7.) Keine (großen) Experimente
Insgesamt könnte man alle Tipps so zusammenfassen: wage keine allzu großen Experimente und wenn du es tust, wappne dich für böse Überraschungen.Aus dem Grund nähe ich nur noch "schlichte" Schnitte mit "schlichten" Stoffen, versuche einen Bogen um Stoffe aus Kunstfaser zu machen, scheue das Ausprobieren anderer Ärmelformen (wie z.B.: Fledermausärmel) außer eingesetzter oder mitgestrickter Ärmel.
Mein letztes "Experiment" mit einem kurzen Jumpsuit, der nun zu einer Pyjamahose umgenäht wird, hat mir wieder mal gezeigt, dass Vorstellung und Realität beim Selbermachen oft gaaaanz weit auseinanderliegen.
8.) Lern aus deinen Fehlern
Fehler machen darf man, nur sollte man vielleicht nicht zu oft die selben machen. Niemand ist vor missglückten Versuchen gefeit, wenn man daraus etwas Positives mitnehmen kann, haben sie sogar noch etwas Gutes.Die oben gezeigten Stücke waren entweder zu klein oder weit, passten nicht zu meinem Stil, hatten die falsche Farbe oder das falsche Muster, eine schlechten Passform oder waren aus einem Stoff, der beim Tragen nicht angenhem war. Oder sie waren schlicht und ergreifend ein gescheitertes (Refashion) Experiment.
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Wie oft misslingt dir ein selbstgemachtes Teil? Und was tust du dann damit? Aufbewahren oder weggeben?
Dieser Beitrag nimmt teil an den Linkpartys "einfach.nachhaltig.besser.leben" und "A New Life"
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